Regionalplan öffnet Flächenfraß Tür und Tor

12. April 2021 | BUND, Flüsse & Gewässer, Klimawandel, Lebensräume, Naturschutz, Wälder, Wildnis

Bezirkskonferenz Naturschutz in OWL kritisiert Plan-Entwurf und fordert Überarbeitung.

Furlbach in der Senne Furlbach in der Senne  (Günter Bockwinkel)

Der Entwurf für einen neuen Regionalplan OWL der Bezirksregierung Detmold hat zu viel Kritik geführt. Jetzt haben die Naturschutzverbände in Ostwestfalen-Lippe auf mehr als 400 Seiten über 700 Einwände, Bedenken und Anregungen zu den textlichen und zeichnerischen Darstellungen des Entwurfs vorgelegt. Das Fazit der Naturschützer ist mehr als ernüchternd. „Was dort planerisch vorbereitet wird, öffnet einem ungesteuerten Flächenverbrauch Tür und Tor“, kritisiert Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz in Ostwestfalen-Lippe, scharf.

Der Regionalplan legt für die nächsten 20 Jahre den planerischen Rahmen für Siedlung, Gewerbe, Verkehrsinfrastruktur, den Abbau von Bodenschätzen, Naturschutz sowie Gewässer in OWL fest. Aus dem Plan entwickeln die Kommunen ihre Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Doch die Naturschutzverbände haben nach akribischer Durchsicht und mit viel ehrenamtlicher Fleißarbeit festgestellt: Das vom Regionalplan verfolgte Ziel, die Siedlungsentwicklung auf geeignete und möglichst konfliktarme Standorte zu konzentrieren, wird mit dem Entwurf komplett verfehlt.

Der vorliegende Plan weist mehr als 440 Flächen mit rund 8.000 Hektar als Allgemeine Siedlungsbereiche (ASB) aus. Dazu kommen mehr als 144 Flächen mit insgesamt etwa 4.100 Hektar als Bereiche für gewerbliche und industrielle Nutzungen (GIB). Darunter sind jedoch äußerst schutzwürdige Flächen für lokale Biotop-Verbünde oder die Entwicklung von klimarelevanten Biotopen zu finden. Von den insgesamt rund 12.000 Hektar ASB und GIB sind auf mehr als 6.000 Hektar, also auf über der Hälfte der Flächen, erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten, sollten sie bebaut werden. Karsten Otte: „Auch wenn es hier bisher um sogenannte Suchräume für Siedlungs- und Gewerbegebiete handelt, so werden sie durch die Pläne zu Vorranggebieten. Damit wird überall dort der Freiraum für schutzwürdige Naturbereiche komplett blockiert."

Der Regionalplan eröffnet so den Kommunen die Option, nach und nach auf allen markierten Flächen entsprechend der ihnen zugestandenen Flächenkontingente zu bauen. „Das ist eine fatale Entwicklung“, sagt Ullrich Richter, Vertreter der Naturschutzverbände im Regionalrat Detmold. „Sind Flächen im neuen Regionalplan als mögliche Baugebiete deklariert, verlieren wir sie als Freilandlebensräume. Damit ist es in den nächsten zwanzig Jahren unmöglich, auf diesen Flächen wertvolle Bereiche als Schutzgebiete auszuweisen.“ Dabei stehen den Kommunen eigentlich nur begrenzte Kontingente an Bauflächen zu, die nach einem bestimmten Verfahren aus ihrer Bevölkerungsentwicklung errechnet werden. „Diese Flächenkontingente werden aber im neuen Plan in fast allen Kommunen in OWL um ein Mehrfaches überschritten“, kritisiert Richter. Gleichzeitig werden die Bereiche zum Schutz der Natur (BSN) reduziert. Die Chance, dem Artensterben von Flora und Fauna entgegen zu steuern wird somit vertan. Dabei wird die Bevölkerung in OWL laut Prognosen sinken.

Klimastabiler Regionalplan 2040 mit genauen Kriterien muss her

Erschreckend ist zudem, dass der Regionalplanentwurf eine erhebliche Schwächung des Naturschutzes bedeutet. „Das ist in Zeiten der globalen Klimakatastrophe eine unfassbare Ignoranz“, stellen Otte und Richter fest. So wurden viele Flächen, die in bisherigen Gebietsentwicklungsplänen noch als „Bereiche zum Schutz der Natur“ dargestellt waren, ganz oder teilweise gestrichen. Karsten Otte: „Anstatt mehr für die schwindende Tier- und Pflanzenwelt zu tun, reduziert die Behörde deren Schutz auch noch. Hier muss die Bezirksregierung deutlich nachbessern.“ Die Naturschutzverbände haben deshalb rund 250 Anregungen zur Stärkung des Biotopverbundes eingereicht. Sie fordern, regionale Grünzüge als Flächen mit Klimaschutz- bzw. Anpassungsfunktionen zu stärken.

Auch werde die Chance vertan, den Dauerkonflikt zwischen Windkraftentwicklung und Artenschutz mit raumplanerischen Mitteln zu entschärfen. Karsten Otte: „In den alten Gebietsentwicklungsplänen stand, dass die Höhenzüge des Teutoburger Waldes von Windrädern freizuhalten sind. Davon findet sich im neuen Regionalplan nichts wieder.“ Und: ein „Nationalpark Senne-Eggegebirge“, wie er nach Ende der militärischen Nutzung sogar von der Stadt Paderborn gefordert wird, ist im Planentwurf ebenso nicht zu finden. „Unser Eindruck ist, dass es den Planverfassern nur um Baulandbeschaffung geht. Das ist kein Beitrag für ein zukunftsfähiges, klimastabiles Ostwestfalen-Lippe.

“Ein klimastabiler Regionalplan 2040 sollte dagegen Klimaschutz als wichtigste Zukunftsaufgabe haben. Kriterien dafür sind u.a.: Eine genaue von Bedarfen abhängige Darstellung von Siedlungsflächen; der strikte Schutz klimarelevanter Böden; strenger Schutz, Entwicklung und Herstellung von Biotopen als CO-2-Senken; mehr naturnahe Wälder und Wildnisflächen; Schutz und Wiederherstellung von Mooren und Grünland; Festlegung von Eignungsgebieten für Windenergieanlagen; Abgrabungsflächen und Steinbrüche nach Ausbeutung dem Naturschutz vorbehalten. Ein Regionalplan, wie ihn die Bezirksregierung Detmold jetzt vorgelegt hat, entspricht auch nicht mehr den Erhaltungszielen der EU. Das hat sich jüngst noch einmal gezeigt: Die Europäische Kommission hat am 18. Februar 2021 bekannt gegeben, dass sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen mangelhafter Umsetzung der Habitat-Richtlinie verklagen wird.

Quelle: Pressemitteilung Bezirkskonferenz Naturschutz in Ostwestfalen-Lippe vom 12. April 2021.

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