Es fährt ein Zug nach nirgendwo

11. September 2024 | BUND, Klimawandel, Lebensräume, Mobilität

Naturschutzverbände kritisieren ICE-Strecke Bielefeld-Hannover.

Intercity-Express, ICE Intercity-Express, ICE  (holzijue / pixabay.com / CC0)

Nachdem die Deutsche Bahn am 13. August 2024 ihre zwölf Trassenvorschläge öffentlich gemacht hatte, hat die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände in Ostwestfalen und Niedersachsen am Dienstag, 04. September 2024, zu dem Thema beraten.

„Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ - so fasst Dietmar Meier vom NABU Hameln-Pyrmont die hautnahe Erfahrung vieler Bürgerinnen und Bürger im tagtäglichen Bahnchaos von Zugausfällen, Verspätungen, fehlenden Anschlüssen auch in Ostwestfalen-Lippe (OWL) und Niedersachsen zusammen. Es ist nach Auffassung der Naturschutzverbände offensichtlicher denn je: „Wir brauchen sofortige Maßnahmen für eine Verkehrswende im ganzen Schienennetz mit einer zuverlässigen Versorgung im Nah- und Fernverkehr“.

Und Thomas Keitel vom Naturwissenschaftlichen Verein Bielefeld ergänzt: „Stattdessen plant die Bahn unbeeindruckt eine monströse, nicht finanzierbare Höchstgeschwindigkeitsstrecke in dicht besiedeltem Gebiet zu Lasten von Menschen, Natur und Klimaschutz. Dafür werden grundlegende Verbesserungen der Situation in ferner Zukunft nach Fertigstellung der Hauptstrecke in Aussicht gestellt“.

Einhelliges Fazit der Naturschutzverbände: Keine der ins Auge gefassten zwölf Varianten entspreche auch nur im Entferntesten den Erfordernissen an eine umweltfreundliche, nachhaltige und zukunftsfähige Trassenplanung. Da sie die von der DB gesetzte Vorgabe von 31 Minuten Fahrzeit für ICE zwischen Bielefeld und Hannover nicht erfüllen, fielen alle, von vielen Akteuren und Fachleuten aus der Region geforderten, bestandstraßennahen und kostengünstigeren Varianten aus der Bewertung. Welch gewaltiger Eingriff in die Landschaft befürchtet werden muss zeige der Vergleich, dass ein einziger 30 km Tunnel dem Volumen Aushub von zwei Cheopspyramiden entsprechen würde (nach den Berechnungen im Gutachten der KRBE GmbH 2023 im Auftrag von Widuland). Unweigerlich würden viele geschützte Biotope zerstört. Im Bereich Bielefeld die Johannisbachaue in nahezu allen 12 Varianten. Porta und Bückeburg wären durch die als tunnelarm gepriesenen Varianten stark betroffen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände ist sich einig, erklärt Karsten Otte, Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz in Ostwestfalen: „Die ohne Dialog entstandenen Trassenpläne der DB finden in ihrer Zerstörungskraft an Umwelt und Natur keine Akzeptanz bei der Bevölkerung. Mit den entstehenden Bauwerken wie Viadukten und Tunnel geht die Bahn eine Klimaschuld ein, die niemals eingefahren werden kann. Schon jetzt ist klar, dass eine Hochgeschwindigkeitstrasse Milliarden von Euro verschlingen wird. Nötige Entwicklungen der Verkehrswende in der Region werden damit ausgebremst“. Aus Sicht der Verbände müssten die politischen Entscheidungsträger davon überzeugt werden, dass ein Deutschlandtakt mit niedrigeren Geschwindigkeiten in einem neuen Zielfahrplan auf der Bestandstrasse gefahren werden kann.

Wie bei Stuttgart 21 und beim BER würden die Kosten aus dem Ruder laufen, sodass die Kosten-Nutzen-Relation ins Negative rutscht. Wichtig sei deshalb, so Eva von Löbbecke vom Förderverein Bückeburger Niederung: „Um die Bahn-Kapazitäten zu erweitern fehlt es nicht an Hochgeschwindigkeitsstraßenstrecken, sondern überhaupt an Gleisen, die leider in der Ära Mehdorn seit Jahrzehnten in der Fläche zurückgebaut wurden.  Der Ausbau der Bestandstrasse kann umgehend angefangen werden. Nichts spricht dagegen, die bereits vor 20 Jahren beschlossenen und in mehreren Studien verfeinerten Pläne einer neuen Fernverkehrsstrecke entlang der bestehenden Trasse des viergleisigen Ausbaus zwischen Minden und Wunstorf Seelze sofort anzugehen“.

Die Arbeitsgemeinschaft fordert daher den sofortigen Ausbau der Bestandstrasse und Investitionen in die Sanierung und den Ausbau der vorhandenen Infrastruktur. Karsten Otte: „Wir brauchen die Verkehrswende jetzt und nicht in 30 Jahren!“

Hintergrund

In der Arbeitsgemeinschaft der Naturschutzverbände Ostwestfalen und Niedersachsen haben sich folgende Verbände zusammengeschlossen:

Naturschutzbund Landesverband NRW (NABU), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband NRW (BUND), BUND Landesverband Niedersachsen, NABU Landesverband Niedersachsen, BUND Kreisgruppe Lippe, BUND Ortsgruppe Wunstorf, BUND Region Hannover, BUND Kreisgruppe Bielefeld, BUND Kreisgruppe Minden-Lübbecke, BUND Kreisgruppe Hameln Pyrmont, BUND Kreisgruppe Herford, BUND Regionalgruppe OWL, NABU Kreisverband Minden-Lübbecke, NABU Kreisverband Lippe, NABU-Gruppe Rinteln, NABU Gruppe Hameln-Hessisch Oldendorf Aerzen, Naturschutzverband Niedersachsen, Förderverein Bückeburger Niederung, Lippischer Heimatbund Detmold (Fachstelle Umweltschutz und Landschaftspflege), Naturwissenschaftlicher Verein Bielefeld und Umgegend, LNU NRW, Naturschutzbeiratsvorsitzender Kreis Herford, Bezirkskonferenz Naturschutz OWL.

Quelle: Pressemitteilung Bezirkskonferenz Naturschutz OWL vom 05.09.2024.

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